Tragende Obstsorten in der Oberlausitz

Liebe Streuobst-Begeisterte,

liebe Streuobstbesitzerinnen und -besitzer,

Nach einem zu warmen Frühjahr 2024 blühten u. a. die Obstbäume drei Wochen früher als gewöhnlich. In den Nächten um den 22. /23. April rutschten die Temperaturen dann noch einmal deutlich in den Minusbereich, was immensen Schaden in den Obstkulturen in Sachsen und besonders in der Oberlausitz verursachte. Die Blüten und jungen Früchte an unzähligen Streuobstbäumen erfroren. Fast die gesamte Stein- und Kernobsternte war von diesem Spätfrost-Ereignis betroffen. Früchte auf Streuobstwiesen in Sachsen und anderen Regionen Deutschlands waren daher Mangelware.

Trotz der Spätfröste waren vereinzelt Obstbäume zu finden, die Früchte trugen. Ursachen hierfür können eine spätere Blüte, eine erhöhte Frostresistenz der Blüten oder eine geschützte Lage sein. Doch um welche tragenden Obstsorten handelt es sich hier in der Oberlausitz und in angrenzenden Regionen? Im Herbst 2024 haben wir einen Aufruf gestartet und Streuobstbesitzerinnen und -besitzer um ihre Mithilfe gebeten. So sollten uns tragende Obstbäume und deren Lage mitgeteilt werden.

In den vergangenen Wochen erreichten uns 124 Meldungen von 34 Personen/Familien mit Hinweisen zu tragenden Obstbäumen auf 38 Streuobstwiesen in Ostsachsen. Auch wurden uns die jeweiligen Obstsorten mitgeteilt, sofern diese bekannt war. Selbst Meldungen aus anderen, durch den Spätfrost betroffenen Gebieten (z. B. Main-Tauber-Kreis, Harz) wurden übermittelt.

Ganz herzlich bedanken wir uns für das Engagement, für alle E-Mails, Anrufe und Briefe. Auch die Individualität der Geschichten, herausgearbeitete Vergleiche zu Vorjahren und umfassende Listen an nicht tragenden Sorten haben uns beeindruckt.

Insgesamt wurden 87 verschiedene Obstsorten gemeldet. Der Großteil der Meldungen mit Sortenangabe (99 Meldungen) betraf den Apfel, die mit Abstand häufigste Obstart auf Streuobstwiesen in Ostsachsen. Hier wurde eine Vielfalt von 70 verschiedenen Apfelsorten gemeldet. Spitzenreiter hier war die Sorte Ontario (7 Meldungen), gefolgt vom Rheinischen Bohnapfel (5), der Roten Sternrenette (4) und dem Cox Orange, Goldparmäne, Kaiser Wilhelm, Klarapfel und Schöner aus Herrnhut (jeweils drei Meldungen).

Bei den Birnen, dritthäufigste Obstart auf Streuostwiesen in der Oberlausitz, gingen 23 Meldungen mit 14 verschiedenen Sorten ein. Am häufigsten als tragend gemeldet wurden die Sorten Conference (vier Meldungen), gefolgt von Gräfin von Paris (3) und den Sorten Gellerts Butterbirne, Gute Luise, Madame Verté und Petersbirne (2).

Pflaumen (Hauszwetschge) und Sauerkirschen (Schattenmorelle) wurden nur jeweils einmal als tragend gemeldet. Pflaumen gehören mit mehr als 3.000 Bäumen auf Streuobstwiesen zu der vierthäufigsten Obstart im Landkreis Görlitz und liegen damit nur knapp hinter der Birne mit mindestens 3.500 Bäumen. Da deutlich weniger Pflaumen gemeldet wurden, ist anzunehmen, dass diese Obsart stärker von den Frostereignissen beeinträchtigt war als Äpfel und Birnen. Sauerkirschen gehören zu den nur sehr selten angepflanzten Obstbäumen in Ostsachen, sodass es kaum verwunderlich ist, dass hier nur eine Meldung erfolgte.

Interessanterweise wurde keine tragende Süßkirschensorte gemeldet, obwohl die Kirsche – zumindest im Landkreis Görlitz mit mindestens 7.000 Bäumen – auf Streuobstwiesen und vereinzelt in Hausgärten vertreten ist. Die Ausfallrate muss hier also besonders hoch gewesen sein, was sich auch mit unseren Erfahrungen deckt und durch die allgemein frühe und gleichzeitige Blüte der Kirschen erklären lässt.

Die Datenlage lässt leider keine Aussagen darüber zu, wie sich eine geschützte Lage (Siedlungsbereich) eines Baumes oder die Lage in der offenen Landschaft auf dessen Ertrag auswirken kann.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sowohl bei den Äpfeln als auch bei den Birnen einige tragende Bäume zu verzeichnen waren, wobei wohl einige Sorten bessere Chancen auf Ertrag hatten. Sortenvielfalt im Garten und auf der Streuobstwiese zahlt sich also aus, wenn Totalausfälle der Ernte vermieden werden wollen. Bei den Süßkirschen und Pflaumen sieht die Situation leider anders aus und Spätfrostschäden sind auch in Zukunft immer wieder zu erwarten.

Wer sich intensiver mit dem Thema beschäftigen möchte, dem empfehlen wir das diese Woche erschienene Buch „Obstbäume, Frost und Klimawandel. Erfahrungen aus der Praxis – Strategien für die Zukunft“ mit Beiträgen von Bernd Kajtna (Arche Noah, Österreich), Christian König (Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau, Weinsberg) und Dr. Michael Schlitt (Oberlausitz-Stiftung). In dieser Publikation wird den Fragen nachgegangen: a) welche Arten von Frostschäden im Plantagenobstbau, auf Streuobstwiesen und in Gärten entstehen, b) ob es frosttolerante Obstsorten gibt und c) welche Strategien es für frostgefährdete Regionen gibt, um doch auf relativ gute Obsternten hoffen zu können. Das Buch ist über die Website der Oberlausitz-Stiftung erhältlich.

In diesem Buch weist Michael Schlitt darauf hin, dass es zwar inzwischen eine Vielzahl von Hinweisen auf Sorten gibt, die trotz Frühjahrsfrösten tragen. Diese Hinweise seien „jedoch zum Teil „mit Vorsicht zu genießen“ sind, weil zum einen nicht immer sichergestellt ist, ob die spätblühende Sorte tatsächlich sortenecht ist. Selbst in den Sammlungen der Deutschen Genbank Obst haben sich bei den pomologischen und molekulargenetischen Überprüfungen zahlreiche Sorten als nicht „echt“ herausgestellt. Zum anderen aus der Tatsache, dass ein einziger Baum an einem bestimmten Standort den Frost gut überstanden hat, nicht generelle Empfehlungen gegeben werden können. Auch wird in der Regel nicht benannt, ob sich die empfohlenen Sorten auf Hochstämmen oder anderen Unterlagen bewährt haben. Vermutlich hat auch die Unterlage einer Sorte Auswirkungen auf den Blühzeitpunkt und dieselbe Obstart, Gattung oder Sorte an unterschiedlichen Standorten unterschiedlich empfindlich gegen Blütenfrost ist.